Allianz Zukunft Reifen - AZuR macht weiter
Bonn, 31.05.2021 Über 80 Teilnehmer aus ganz unterschiedlichen Branchen nahmen an derdigitalen AZuR-Abschlussveranstaltung des Förderprojektes am 19.5.2021 teil. DieFörderphase ist damit abgeschlossen, das Netzwerk startet jetzt in die eigenfinanziertePhase.
Reifenindustrie, Altreifenentsorger und -verwerter, Runderneuerer und Handel diskutierten undinformierten über den Stand der Dinge und die in die Wege geleiteten Maßnahmen. Bei derVeranstaltung hat das Netzwerk ein abwechslungsreiches Live-Programm zusammengestellt, daszum Dialog und Mitmachen einlud.
Die Bildung des Netzwerks wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)gefördert. Die Initiative ZARE, eine Arbeitsgruppe beim Bundesverband Reifenhandel undVulkanisations-Handwerk e.V. (BRV), hat sich dafür stark gemacht, da der Altreifenberg weiterwächst und die Absatzwege aus unterschiedlichen Gründen wegbrechen. Heute gehören zu demNetzwerk 20 Unternehmen, sieben Organisationen und Verbände, sieben Hochschulen undInstitute und zwei Medienpartner – darunter energetische Verwerter, Maschinenhersteller,Runderneuerer und Entsorger. Alle zusammen haben ein Ziel: Das Altreifen-Recycling so zugestalten, dass so viel wie möglich in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt wird.
AZuR kann zum Brückenbauer eines nachhaltigen Reifenrecycling werdenIn den ersten zehn Monaten bildeten sich innerhalb des Netzwerks Arbeitsgruppen zu denBereichen Pyrolyse/energetische
Verwertung, Runderneuerung und stoffliche Verwertung, die inWorkshops diskutierten, Erfahrungen austauschten und informierten. Dabei zeigte sich schnell,dass das Zusammenspiel unterschiedlicher Unternehmen, die die komplette Wertschöpfungsketteabbilden, in Kooperation mit den Hochschulen und Universitäten neue Erkenntnisse erzeugte. Eswurde eine Umfrage durchgeführt und parallel erstellte die Technische Universität Chemnitz unterFederführung von Dr. Stefan Hoyer eine umfassenden Machbarkeitsstudie, die den AZuR-Partnernim Intranet zur Verfügung gestellt wurde.
Anish Taneja, der Präsident des Wirtschaftsverbands der deutschen Kautschukindustrie e.V.,machte anlässlich der Auftaktveranstaltung in seiner Ansprache deutlich, dass dieses neueNetzwerk besonders wichtig ist und unbedingt fortgeführt werden muss. „Gemeinsam müssen wirdie Zukunft gestalten und technischer Vorreiter sein“, betonte Taneja. Alle Marktbeteiligten müssenumdenken und zusammen Wege finden, um die individuelle Mobilität auch unter den steigendenAnforderungen der Kreislaufwirtschaft sicher zu stellen. Das kann nur gelingen, wenn wirTechnologien und Systeme entwickeln, die den Wertstoff, der in den Reifen steckt, zu 100 %wiederverwerten. Der Reifen kann mehr als ein Leben haben. Wichtig ist Taneja aber auch dieUnterstützung durch die Politik. Sei es durch Deregulierung der Vorgaben oder aktive Förderungvon innovativen, nachhaltigen Recyclingprodukten wie z. B. High-Tech Produkte für denStraßenbau.
Reifen-Runderneuerung eine Technologie, die Zukunft hatIn der Talkrunde, die Eveline Lemke moderierte, wurden ganz unterschiedliche Ansätze diskutiert.U.a. ging es dabei um die Frage, was Autofahrer wollen und ob sie heute z. B. bereit sind, einenrunderneuerten Reifen zu akzeptieren. Die Reifen-Runderneuerung spielte nicht nur in derTalkrunde eine wichtige Rolle, sondern auch in den Workshops und weiteren Beiträgen. EineTechnologie, die es bereits seit über 80 Jahren gibt und bis in die 1980er-Jahre auch im Pkw-Bereich eine große Rolle spielte. Hauptsächlich durch den Import von preiswerteren Neureifen ausFernost, reduzierte sich die Nutzung der runderneuerten Pkw-Reifen, so dass viele Hersteller dieProduktion einstellten. Im Nfz-Bereich beträgt der Anteil an runderneuerten Reifen etwa 30% undist sicher noch weiter ausbaufähig. Wenn jeder zweite Lkw auf runderneuerten Reifen fahrenwürde, könnte eine Million Tonnen CO2 eingespart werden. Hier muss ein Umdenken stattfindenund es wird viel Überzeugungsarbeit notwendig sein; die Politik kann hier eine Vorreiterrolleeinnehmen und zum Beispiel Kommunalfahrzeuge auf runderneuerten Reifen fahren lassen.
Altreifen-Granulat – ein vielseitiger Sekundär-WerkstoffDie Technologien sind erprobt. Das Verfahren der stofflichen Altreifen-Verwertung separiert Metall(15 % Anteil), Textil (10 % Anteil) und Gummi (75 % Anteil). Es gibt ausreichendAnwendungsgebiete und innovative Produkte. Das Hauptproblem sehen die Teilnehmer einerseitsin der Überregulierung durch die Politik und andererseits in einer Unsicherheit zukünftigerVorgaben. Wenn seitens der (Länder-)Regierungen Ressourcen geschont und Wertstoffe zu einemüberwiegenden Teil wiederverwertet werden sollen, müssen überholte Regulierungen hinterfragtund entsprechend der aktuellen Technologie angepasst werden. Die mittelständische Wirtschaftbeklagt, dass zwar Gesetze erlassen, Forderungen gestellt und Auflagen gemacht werden, dasGespräch und der Austausch aber nicht gesucht wird. Das erschwert im besonderen Maße denEinsatz von Recyclingstoffen. Die Partner von AZuR stellen sich den Diskussionen, klären auf undladen gerne zum Gespräch ein.
Pyrolyse und Devulkanisation – erste Erfolge sind sichtbarIm saarländischen Dillingen macht es das Unternehmen Pyrum vor. Aktuell werden dort etwa 7000Tonnen Altreifen zu Ruß (Recycled Carbon Black), Stahl, Ölen und Gasen verarbeitet, diewiederum in einem Chemiewerk als Rohstoff eingesetzt werden. „Der Weg dorthin, war weit“, soPascal Klein der als Geschäftsführer auf der Abschlussveranstaltung einen Workshop leitete, „aberer hat sich gelohnt. Wir werden im laufenden und in den kommenden Jahren die verarbeiteteTonnage an Altreifen weiter erhöhen und so unseren Teil zum Altreifen-Recycling beitragen.“ DasThema Devulkanisation steckt an vielen Stellen noch in der Laborphase, aber auch hier könnendie beteiligten Forschungsinstitutionen über erfolgreiche Testreihen berichten, wie es Herr Prof.Ulrich Giese vom DIK (Deutsches Institut für Kautschuktechnologie e. V.) in einem Vortrag darlegt.Vieles ist auf dem Weg – die Politik sollte sich die Wirtschaft ins Boot holen„Kreislaufwirtschaft, das Gebot der Stunde – ohne Reifen kein Individualverkehr.“ Dr. BettinaHoffmann (MdB) von der Partei Bündnis 90/Die Grünen präsentierte einen 5-Punkte-Plan:
1. Die Recyclingfähigkeit von neuen Produkten2. Die Abfallvermeidung3. Die Abfallwirtschaft wird zur Rohstoffindustrie für morgen4. Daten machen Müll zu Wertstoffen5. Werkstoffe müssen hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft überprüft werden.
Die Teilnehmer waren sich einig, dass Teile der Forderungen noch Zukunftsmusik sind, aber vielesim Bereich des Altreifen-Recyclings heute schon Praxis ist. Die Industrie hat das Wissen und Knowhow,die Forderungen umzusetzen, braucht allerdings neben dem klaren Bekenntnis der Politikauch die stringente Umsetzung in der Praxis.Beispiele gibt es genügend, in denen die Technologie und die Produkte bewiesen haben, dass siefunktionieren und ökologische Vorteile bieten. Sei es die Reifenrunderneuerung, sei esBautenschutz oder gummimodifizierter Asphalt. Die öffentliche Hand muss die Regularien sodefinieren, dass diese Produkte in Ländern, Städten und Kommunen auch zum Einsatz kommen.Hier ist es leider noch so, dass das Wissen nicht durchgereicht wird und die alten Zöpfe Bestandhaben.
AZuR hat in den letzten zehn Monaten viele Unternehmen und Organisationenzusammengebracht. Das Netzwerk wird weiterwachsen. Durch die Diversifikation der Partner unddie enge Verknüpfung von Wissenschaft und Medien werden neue Allianzen gebildet.Nachhaltige Ideen werden diskutiert und die Aufmerksamkeit in der Politik wird zunehmen. NachAbschluss der Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wirdAZuR unter der Schirmherrschaft vom wdk fortgeführt. Christina Guth, Netzwerkkoordinatorin vonAZuR, begrüßt die Entscheidung von Stephan Rau dem technischen Geschäftsführer des wdk,denn es zeigt, dass die Kautschukindustrie ein großes Interesse an der nachhaltigen Nutzung vonAltgummi und Altreifen hat.